Neunter Rabe – Drunter und drüber, hin und her, vor und zurück

„Ein ganz normaler Tag“ war mein Arbeitstitel für diesen Raben, als ich gestern Nachmittag zu schreiben begann. Nach der Nacht auf dem netten Stellplatz im Niemandsland fuhren wir die gut 200 km nach Le Porge, wo ich vor 17 Jahren schon einmal gewesen war, und wo auch heute noch einige Leute aus meiner Heimatstadt regelmäßig ihren Sommerurlaub verbringen. Ohne Verabredung, aber mit der Idee, dort vielleicht ein paar Bekannte zu treffen, fuhren wir auf den Campingplatz. Dass der Platz so riesig ist, hatte ich nicht in Erinnerung. Die Wahrscheinlichkeit, dort jemandem über den Weg zu laufen ist eher gering, vor allem in weniger als 24 Stunden. Trotzdem und trotz des trüben Wetters gönnten wir uns einen ausgedehnten Spaziergang zum Strand. Als Dänemark-im-Herbst-Urlauber schätzen wir die wilde, raue See…

Zum Baden und für Urlaub mit Kindern fanden wir den Platz nicht wirklich geeignet. Aber für einen Nachmittag reichte der Spielplatz Jörg und den Jungs aus, und ich konnte in Ruhe arbeiten. Allerdings nicht lange. Dann kam ein aufgeregter Arthur angelaufen. Von unseren Bekannten aus Schorndorf hatten sie niemanden getroffen – dafür aber eine andere Familie aus unserem Kindergarten in Lüneburg. Was für ein Zufall! Für die Kinder war unser Aufenthalt dort natürlich ein voller Erfolg!

Trotzdem machten wir uns am nächsten Tag gleich wieder auf den Weg, denn wir wollten endlich Spanien erreichen, und durch die vielen Verzögerungen wird unsere Zeit knapp.

Gemütlich und dennoch pünktlich verließen wir, frisch versorgt, das Gelände. Die gut 200 km bis kurz vor der Grenze liefen super. Wir tankten, machten eine kurze aber entspannte Pause und wollten direkt weiter. Unserer eingespielten Routine folgend, ging Jörg nach vorne um den Motor zu starten, während ich die Kinder anschnallte. Entgegen unserer Gewohnheit, lief der Motor aber noch nicht, als die Kinder schon abfahrbereit in ihren Sitzen saßen… und machte auch keine Anstalten, anzuspringen! Wir standen eingepfercht zwischen zwei Lastwagen und kamen nicht vom Fleck! Kein Problem, wir kennen ja unser altes Eisenschwein und haben das nötige Werkzeug griffbereit. Mit Hammer und Eisenstange krabbelte Jörg unter das Fahrgestell, klopfte das Anlasserritzel, das nicht zum ersten Mal auf dem Starterkranz hängen geblieben war, zurück, und beim nächsten Versuch sprang der Motor sofort an.

Wir fuhren weiter und überquerten – endlich – die spanische Grenze! Unser erstes Ziel war ein Einkaufszentrum, denn nicht nur frisches Obst, Gemüse und Milchprodukte, sondern auch unsere Trockenvorräte gingen so langsam zur Neige.

Der Supermarkt war ein krasser Kulturschock für uns alle. Überdimensioniert, wuselig und unerhört laut! Riesige Fernsehapparate in der Multimedia-Abteilung gleich hinterm Eingang fesselten die Blicke der Kinder und machten einen derartigen Lärm, dass wir alle binnen Sekunden mit den Nerven am Ende waren. Jörg und ich (und ich denke auch Alwara) wollten nichts wie weg, aber Arthur war nicht mehr von der Stelle vor dem Bildschirm wegzubewegen. Und da begann das Theater! Wir brauchten viel, wir brauchten lange und die ganze Zeit war mindestens eines der Kinder am Meckern, Jammern, Heulen oder Schreien! Kein Spaß. Jörg musste zwischendurch zum Parkplatz (und zwar ans andere Ende, denn vorne passen nur PKW hin) weil wir Alwaras Schnuller vergessen hatten. Just in diesen paar wenigen Minuten fiel Ansgar auf, dass er Pipi musste – selbstverständlich dringend – und ich überlegte fieberhaft, ob ich mit allen dreien und dem halb vollen wagen die Toilette suchen und riskieren sollte, dass Jörg uns nicht wiederfindet, oder aber ob ich Arthur mit dem Wagen an Ort und Stelle zurück lassen könnte… Die Entscheidung wurde mir zum Glück abgenommen, denn da kam Jörg auch schon mit dem Schnuller zurück und kümmerte sich um Ansgar.

Beim Obst und Gemüse hatten wir dann doch noch ein bisschen Spaß. Die Jungs trugen abwechselnd die Tüten, die ich befüllt hatte, zu Papa zur Wage und sagten ihm die Nummer. Da fällt mir ein, dass ich gar nicht darauf geachtete habe, ob alle richtig angekommen sind. Wahrscheinlich haben wir jetzt zwei Avocados im Wert von 20,- € im Kühlschrank? Nun, wir werden einfach alles davon genießen!

Inzwischen war es schon ziemlich spät geworden und wir beeilten uns mit dem Einladen, um noch einen Stellplatz auf dem Wohnmobilgelände zu ergattern. Doch wieder sprang der Magirus nicht an. Hammer und Eisenstange konnten dieses Mal nicht helfen, denn das Ritzel war an seinem Platz. Aber auch das bringt uns nicht mehr aus der Fassung! Wenn es nicht das Ritzel ist, ist es das Getriebe. Es muss ein wenig bewegt werden. Dazu schiebt man den Lastwagen ein Stückchen vor oder zurück, ruckelt gegebenenfalls kräftig mit der Bremse und lässt eventuell auch noch die Kupplung dabei kommen. Also alles halb so wild.

Der Weg zum Stellplatz war nicht sehr weit, aber umso komplizierter. Vor lauter auf und ab in den engen Straßen von Donostia-San-Sebastián wussten wir bald nicht mehr, in welche Richtung wir eigentlich fuhren.

An diesem Abend stellten wir uns der Frage, ob überhaupt und wie weit unsere Reise noch weiter in den Süden gehen sollte. Bis hinunter nach Faro und dann zurück nachhause schaffen wir es nicht bis zum 10. Oktober. Dann wollten wir aber eigentlich zurück sein, damit die Kinder nach den Herbstferien sanft wieder in den Kindergartenalltag einsteigen können. Wir müssen also die Strecke verkürzen oder die Reise verlängern. Zurückfahren, oder weiter…

Heute Morgen sind wir früh gestartet. Wir sind unterwegs in Richtung Gijón. Weil die Pyrenäen bis an den Atlantik heranreichen, führt selbst die Autobahn bergauf und bergab und es eröffnet sich hinter jeder zweiten Biegung ein phantastischer Ausblick über das Meer, die Berge, kleine Orte in Tälern oder direkt an der Küste und auf einzelne Häuser, die mitten im Wald am Hang kleben… So hatte ich mir das „Reisen entlang der Küste“ die ganze Zeit vorgestellt.

Ausgeglichene Grüße,
Nora