Und wir dachten, unser Ausflug zum Waschsalon wäre ein Abenteuer gewesen! Aber richtig aufregend wurde es erst noch…
Nach dem langen Aufenthalt in Nieuwpoort und der kurzen Fahrt bis De Panne wollten wir am nächsten Tag eigentlich früh los um ein gutes Stück Strecke zurück zu legen. Unser Übernachtungsort war ohnehin nicht besonders reizvoll, es regnete und es zog uns Richtung Süden. Inzwischen sind wir so routiniert, dass wir nicht einmal mehr halb so viel Zeit brauchen wie anfangs, um unser Nachtlager abzubauen und den Magirus für die Fahrt einzurichten. So war es noch früh, als Jörg den Motor startete. Ich räumte gerade die letzten Dinge in der Küche auf, die Jungs saßen noch hinten in Ansgars Bett und suchten Spielzeug aus und Alwara lag schon neben mir in ihrer Babyschale.
Da wehte mir ein Hauch von Verbranntem in die Nase. Zuerst dachte ich, es käme von draußen, doch dann wurde der Geruch stärker…. und als ich Jörg alarmiert und gebeten hatte herein zu kommen um zu schnuppern, quoll auch schon Rauch aus der Fuge zwischen dem Aufbau und dem Führerhaus.
Jörg sprintete nach vorne, legte den Hauptschalter um, trennte so die Starterbatterie vom Stromkreislauf und würgte den Motor ab. Ich kommandierte die Jungs aus dem Truck und schnappte mir Alwara. Und dann standen wir alle auf der Straße wie der berühmte Ochse vorm Berg, der nicht weiß, wie es jetzt weiter geht.
Am Tag zuvor hatte Jörg das Kabel wieder angeschlossen, das die Starterbatterien mit dem Solarspeicher verbindet, wodurch die Lichtmaschine alle drei auflädt. Auf der Fahrt von Nieuwpoort nach De Panne hatten wir keinerlei Probleme damit und auch nichts Ungewöhnliches bemerkt. Aber als der Motor an diesem Morgen ansprang, erhitzte sich eben diese Kabel und der Mantel verschmorte.
Kurz nach dem Abstellen des Motors hörte es zum Glück langsam wieder auf zu qualmen. Als der Rauch sich verzogen hatte, nahmen wir also das „Sofa“ auseinander, um an die Elektrik zu kommen. Jörg sah sich das Dilemma an. Das verbrannte Kabel musste er heraus schneiden, weil es überall angebacken war. Zwei weitere Kabel waren betroffen, die er aber ersetzen konnte. Wir sind ja nicht ohne Werkzeug und Material unterwegs!
Nach bestimmt zwei Stunden des Bastelns sah es so aus, als wäre alles wieder in Ordnung. Doch wir hatten keinen Strom an Bord. Mehrmals gingen und maßen wir alles durch. Jörg wollte schon den Fensterrahmen ausbauen um an den Sicherungskasten zu gelangen, da fiel uns auf, dass gar keine Spannung auf der Hauptleitung dorthin war. Wieder untersuchten und maßen und überlegten wir. Endlich kam Jörg auf die Idee, die Funktion des Ladungsreglers, ab dem die Leitung tot war, per App zu prüfen. Und tatsächlich! Das schlaue Gerät hatte den Zugriff auf die Batterie unterbrochen. Ein Touch auf dem Tablet und alles sprang wieder an!
Zwar sind alle Sicherungen heile geblieben, aber trotzdem sind wir froh, dass keines unsere Geräte angeschlossen war. Denn ob uns wirklich am Abend zuvor der Strom ausgegangen war, oder vielleicht schon ein Defekt an den Leitungen den plötzlichen Spannungsabfall in der Bordelektronik verursacht hat, wissen wir nicht. Auf jeden Fall ließen wir erst einmal die Finger von allem und kamen ohne Strom aus…
Wir schafften es an diesem Nachmittag – es war Montag, der 27.08. – noch bis kurz vor Abbéville. Wir kürzten dafür ein Stück durchs Landesinnere ab, was für Jörg sehr anstrengend war. Ich dagegen kam voll auf meine Kosten. Ich mag Frankreich. Ganz besonders diese entzückenden kleinen Dörfer im Niemandsland, die einem das Gefühl geben, als hätte man etwas gefunden, was eigentlich lieber verborgen geblieben wäre.
Das Örtchen, in dem wir dank unserer App den Wohnmobilplatz fanden, trägt den malerischen Namen Stella-Plage… schwarzmalerisch wäre aber passender. Auf dem Reißbrett entworfen (alle Straßen laufen sternförmig auf den Mittelpunkt der Strandpromenade zu), aus dem Boden gestampft und dann vergessen. Heruntergekommen, ungepflegt und verlassen. Dort kann man alles kaufen. Jedes einzelne Haus will niemand mehr haben.
Trotzdem gibt es dort Menschen, und auch Touristen verirren sich dort hin. Und zwar genügend, dass alle freien Stellplätze belegt waren. Wir checkten also auf dem Campingplatz ein, kosteten ausgiebige die Nähe zum Strand und das im Preis inbegriffene warme Wasser aus und machten uns am nächsten Morgen auf und davon.
Wir hatten entschieden, ein Stück Autobahn zufahren. Ein Großteil in Küstennähe durch die Normandie und die Bretagne ist sogar mautfrei. Trotzdem kamen wir nicht schnell genug voran, um unser nächstes größeres Etappenziel – einen Campingplatz bei einem Bauernhof in der Bretagne – zu erreichen. Also beschlossen wir, uns eine Platz für die Nacht in der Nähe von Caen zu suchen. Beim Hineinzoomen in die Karte entdeckte ich, das wir nur 30 km von Bayeux entfernt waren!
In Bayeux wird ein Teppich aufbewahrt und ausgestellt. Er zeigt die Geschichte der Eroberung Englands durch den Normannen Guillaume le Conquérant, auch bekannt als William the Conqueror. Sein Sieg in der Schlacht bei Hastings markiert das Ende der Wikingerzeit, daher gilt er auch als der letzte Wikinger. Schon allein deshalb ist der Teppich für uns ein Artefakt, das wir unbedingt gesehen haben müssen. Außerdem ist er fast 70 m lang und beinahe 1000 Jahre alt…
Wir warfen also wieder einmal unsere Pläne über den Haufen, suchten uns einen kostenlosen Platz für die Nacht direkt am Meer zwischen Caen und Bayeux und besuchten gestern Morgen das Museum, in dem die Tapisserie zu sehen ist. Mit einem Telefon – wie Ansgar die Audioguides nannte – in der Hand schreitet man den Teppich entlang und bekommt die einzelnen Szenen erklärt. Selbst Arthur hört aufmerksam zu. Nur Ansgar konnte ich nicht bis zum Schluss davon überzeugen, wie spannend die vielen Pferde und Schiffe und Menschen sind. Aber wir haben den Teppich gesehen! Und in der Ausstellung fanden wir dann beinahe in jedem Modell von damaligen Festungen, Häfen und Dörfern einen Kran. Damit war der Ausflug für Ansgar gerettet!
Weiter ging es wieder auf der Autobahn. Und dieses Mal lief es reibungslos, wir kamen gut voran und entschieden, bis zum Campingplatz durchzufahren, auch auf die Gefahr hin, dass wir es nicht schaffen würden während der Öffnungszeiten der Rezeption bis 20:00 Uhr anzukommen. Um 19:58 Uhr sprang ich aus dem LKW, flitzte zur Rezeption, buchte uns für drei Nächte den Platz direkt am Spielplatz und wir landeten im Paradies. Geschichten von hier gibt es im nächsten Raben – die passen nicht in den kohlrabenschwarzen.
Bunte Grüße,
Nora